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Kfz-Massenabgleich in Niedersachsen gesetzeswidrig

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Einem Schriftsatz in der Verfassungsbeschwerde gegen den massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen in Niedersachsen zufolge ist auch das 2009 nachgebesserte Gesetz zum Kfz-Massenabgleich in Niedersachsen verfassungswidrig. Zu diesem Vorwurf hat nun die niedersächsische Staatskanzlei Stellung genommen.

Interessant ist vor allem die Beschreibung, wie die zurzeit eingesetzten Kfz-Scanner funktionieren:

Bei den in Niedersachsen eingesetzten AKLS handelt es sich um ein Digital-Video-System, das mit digitalen Kameraaufnahmen mit separatem Infrarotblitz arbeitet. Mittels einer Software werden die kontinuierlich von der Kamera gelieferten Bilder auf Veränderungen hin ausgewertet, die durch die Bewegung von Kfz entstehen. Wird ein Kfz erkannt, ermittelt der Kennzeichenleser, ein Unterprogramm der AKLS-Software, das Fahrzeugkennzeichen. Das Leseergebnis wird anschließend mit der Fahndungsdatei abgeglichen. Die AKLS verfügen zwar auch über einen Aufzeichnungsmodus zur Erstellung von Durchfahrtlisten, diese technische Option ist jedoch nicht für Zwecke des § 32 Abs. 5 Nds. SOG vorgesehen. Deshalb sind die AKLS so eingestellt, dass sie sich nach dem Hochfahren stets im Abgleich­modus befinden, in dem alle Kennzeichen sofort mit dem Fahndungsbestand abgeglichen und nur Treffer gespeichert werden. Manuell kann in den Aufzeichnungsmodus umgeschaltet werden, um eine Durchfahrtsliste sämtlicher das Gerät passierender Fahrzeuge zu erstellen; diese Form des AKLS-Einsatzes darf jedoch nicht auf der Grundlage von § 32 Abs. 5 Nds. SOG erfolgen. Gegen Rechtsanwendungsfehler in diesem Zusammenhang sind durch die Gestaltung der Geräteoberfläche und durch einen gesondert zu bestätigenden Hinweis, der beim Umschalten vom Abgleichs- in den Aufzeichnungsmodus eingeblendet wird, Vorkehrungen getroffen worden.

Während des Betriebs im Abgleichmodus ist auf dem Bildschirm ein Live-Bild der Kamera zu senen; darunter werden die Leseergebnisse der letzten elf erfassten Kennzeichen eingeblendet. Diese Leseergebnisse sind nicht speicherbar und werden ab dem zwölften Kennzeichen überschrieben. Wie lange sie auf dem Bildschirm zu sehen sind, hängt vom jeweiligen Verkehrsaufkommen ab. Beim Herunterfahren des Geräts werden auch die letzten Leseergebnisse aus dem Bildspeicher des Displays automatisch gelöscht. Live-Bild und Lese­ergebnisse dienen der Kontrolle der Ausrichtung und Funktion des Geräts; die Beamten können anhand dieser Anzeigen prüfen, ob das Gerät Kennzeichen erfasst und mit korrektem Ergebnis ausliest.

Unter durchschnittlichen Bedingungen liegt die Erfassungsrate bei ca. einem Fahrzeug pro Sekunde.

Das niedersächsische Gesetz zum Kfz-Massenabgleich bestimmt: „Das Kennzeichen ist sofort automatisiert mit vorhandenen Dateien abzugleichen, die der Suche nach Personen oder Sachen dienen oder in denen Kennzeichen nach § 37 oder nach anderen Rechtsvorschriften zur Kontrollmeldung ausgeschrieben sind. Ist das Kennzeichen nicht in diesen Dateien enthalten, so sind die nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen Daten sofort automatisiert zu löschen.“

Mit Überraschung stellt man bei Lektüre der tatsächlichen Funktionsweise fest, dass erfasste Kennzeichen („Leseergebnisse“), die nicht im Vergleichsdatenbestand enthalten sind, entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in Niedersachsen nicht „sofort“ nach dem Abgleich automatisiert gelöscht werden, sondern weiterhin auf dem Bildschirm angezeigt und erst nach dem Einlesen weiterer elf Kennzeichen überschrieben werden. Wenngleich sich dies unter normalen Bedingungen nicht nachteilig auswirken wird, stellt es doch einen eklatanten Gesetzesbruch dar und lässt für die Einhaltung der sonstigen Vorschriften des Gesetzes nicht Gutes erahnen.

Interessant ist auch die Schilderung der Personen, zu deren Auffinden in Niedersachsen der Verkehr gerastert wird:

So werden Kraft­fahrzeuge aus Gründen der Beweissicherung, der Eigentumssicherung nach Totalentwendung, der Vermögensabschöpfung oder der Gefahrenabwehr zur Sicherstellung oder Beschlagnahme ausgeschrieben, wenn der Halter oder Besitzer sie vorsätzlich dem Zugriff der Polizei entzieht oder wenn er anders nicht erreicht werden kann, z.B. weil er sich an seinem Wohnort nicht ordnungsgemäß angemeldet hat. Gleiches gilt, wenn Fahrzeuge wegen Pflichtversicherungsverstößen zur Entstempelung ausgeschrieben sind. Zur Ermittlung des Eigentümers oder Besitzers und gegebenenfalls auch zur Identitätsfeststellung aus­geschrieben werden z.B. Fahrzeuge, die nach einer Veräußerung nicht umgemeldet worden sind oder die zur Begehung von Straftaten benutzt werden. Grundlage für eine Ausschreibung zur Kontrolle im Rahmen der polizeirechtlichen Befugnisse […] ist ein gegen den Betroffenen gerichteter auf Tatsachen gegründeter Verdacht, dass er eine Straftat begehen wird oder von ihm sonst eine Gefahr ausgeht. Dient die Ausschreibung eines Fahrzeugs der Unterstützung der Personen­fahndung, so entzieht sich die gesuchte Person vorsätzlich polizeilichen oder behördlichen Maßnahmen wie z.B. der Festnahme, erkennungsdienstlichen Behandlung oder der Durch­führung ausländerrechtlicher Maßnahmen oder ist z.B. aufgrund von Meldeverstößen nicht greifbar.

Zusammenstellung des bisherigen Schriftverkehrs in der Verfassungsbeschwerde gegen den massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen in Niedersachsen:

  1. Beschwerdeschrift vom 26.05.2008
  2. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 17.06.2008
  3. Stellungnahme der niedersächsischen Staatskanzlei vom 01.10.2008
  4. Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 26.09.2010
  5. Stellungnahme der niedersächsischen Staatskanzlei vom 11.01.2011

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